"Ungeschminkt"- Ein Galopp mit Erwin Leister durch die geschenkte Zeit

Ein wenig wehmütig begann unser „Ungeschminkter“ Abend als Moderator Matthias Kudra an zwei Autoren erinnerte, die kürzlich verstorben sind und die Entwicklung des Marienbrunner Literaturstammtisches (MLST) mit geprägt haben: Ingeborg Schuchart und Claus Uhlrich.

Nach einer Schweigeminute betrat dann Erwin Leister, Schauspieler, Regisseur und Oberspielleiter an der musikalischen Komödie (1970 – 1990), die Bühne im Saal der Futterkiste, so als hätte er die Theaterbühne erst vor kurzem verlassen und das ist nun auch schon wieder 30 Jahre her. Schon nach seinen ersten Worten war klar: Hier spricht ein begnadeter Schauspieler, der von der Kraft und Vitalität nicht nur seiner Stimme auch nach 95 Jahren nichts verloren hat. Die ersten Worte richtete er direkt an sein „ganz besonderes Publikum“ und bedankte sich vorab schon einmal für die Aufmerksamkeit und das Interesse an seinem Buch.

Bekannt wurde Leister vor allem durch seine Zeit an der Musikalischen Komödie, an der er der „verstaubten“ Operette seinen Stempel aufdrückte und der Muko zwei goldene Jahrzehnte bescherte. Seine Lebenserinnerungen hat er nun in zwei Bänden unter dem Titel „Ungeschminkt: Im Galopp durch die geschenkte Zeit“ veröffentlicht. Den zweiten Teil seiner autobiografischen Reportage stellte er am 29. November in der Futterkiste vor. Darin schilderte er seinen Weg, wie er aus britischer Kriegsgefangenschaft entlassen, am Erfurter Theater versuchte, eine Anstellung zu bekommen und schließlich als „Provinzschauspieler“ in Greiz und Zeitz landete. Regisseur wollte er eigentlich nie werden und als Schauspieler lächelte er eher über das Genre Operette. Doch seine Idee, die Operette mit Schauspielern zu besetzen, die er schon in Greiz erfolgreich ausprobierte, sprach sich schnell rum. So bekam er 1969 das einmalige Angebot in Kairo die Revue „1000 Jahre Ägypten“ zu inszenieren. „So hart und so intensiv habe ich nie wieder an einer Inszenierung gearbeitet“, blickte Leister zurück. Nach der Wende schon in Rente inszenierte er noch in Saarbrücken und war danach bis 2012 insgesamt 22 Jahre als Marktmeister bei der Eröffnung der Leipziger Markttage im Herbst tätig.

„95- dieser Herausforderung muss man sich stellen“ gab er seinem beeindruckten Publikum mit auf den Weg. Er stellte sich eindrucksvoll dieser Herausforderung und schwelgte anschließend mit seinem Artisten-Kollegen Gerd Voigt, seinem Autoren-Kollegen Prof. Dieter Schneider und anderen Besuchern noch ein wenig in Erinnerungen. Ein Galopp durch die geschenkte Zeit eben.

Freuen sie sich auf weitere MLST- Lesungen im nächsten Jahr, z.B. am 14. Februar zur Valentinslesung und am 13. März zur 3. Marienbrunner Lesenacht in der Futterkiste.

Veröffentlicht am 04.12.19 im MLST-Marienbrunn-Blog unter marienbrunn.wordpress.com/